In unserer Blog-Serie „O-TON“ plaudern wir über unseren Job und unsere Leidenschaft für Organisationsentwicklung und Agilität – diesmal mit Wibke Arnold, die unser Team seit Juli 2022 als Teamentwicklerin und Agile Coach unterstützt.
1. Wibke, du warst vor Teamprove Teil eines agilen Teams in der Softwareentwicklung. Was war der Grund “auf die andere Seite des Tischs” zu wechseln – sprich was fasziniert dich daran, dein Wissen jetzt als Agile Coach in der Organisationsentwicklung weiterzugeben?
Eine andere Seite sehe ich hier gar nicht unbedingt. Eher einen Perspektivwechsel, für den meine Erfahrungen sehr hilfreich sind. Ich bin ins Arbeitsleben gestartet zu einer Zeit, in der Microsoft Project das Non-plus-Ultra war. Wasserfall, Milestones, Abteilungsdenken und hierarchisch geprägte Strukturen, das war das A und O. So wirklich wohl habe ich mich damit aber nie gefühlt. Als einer meiner früheren Arbeitgeber dann die Transformation zu einer agilen Organisation gewagt hat, war ich von Anfang an fasziniert, welche Möglichkeiten das Arbeiten in einem agilen Umfeld bietet. Diese Faszination ist bis heute geblieben und auch die Lust darauf, diese Faszination anderen Organisationen und ihren Teams näherzubringen. Das war einer der Gründe, meinen Wirkungsbereich in die Team- und Organisationsentwicklung zu legen.
2. Du bist selbst Scrum Masterin und bringst viel praktisches Know-how in unterschiedlichen Rollen mit, unter anderem im Qualitäts- und Anforderungsmanagement. Hast du mit diesem Background eine andere Perspektive, wenn du mit den Teams unserer Kunden arbeitest?
Mein Background hilft mir zu verstehen, wo Knackpunkte liegen und welche Lösungsmöglichkeiten für unsere Kunden und wiederum für deren Kunden passen könnten. Ob es darum geht, wie Teams im Anforderungsmanagement kommunizieren, realistisch erreichbare Ziele definieren oder flexibel auf neue Anforderungen reagieren: Das ist für mich jahrelange Praxis und hilft mir, genau das zu finden, was unsere Kunden brauchen.
3. Du beschäftigst dich viel mit den Themen Fehlerkultur und Lernende Organisation. Wie verträgt sich eine Fehlerkultur mit Qualitätsmanagement?
Hervorragend! Ich spreche lieber von einer “gesunden” Fehlerkultur, das finde ich passender als “gute” Fehlerkultur. Aus meiner Sicht kann es ohne eine gesunde Fehlerkultur kein gutes Qualitätsmanagement geben. Wir lernen aus Fehlern und je besser wir aus ihnen lernen, desto besser können wir uns weiterentwickeln und Entscheidungen treffen. Organisationen mit einer gesunden Fehlerkultur sind deutlich beweglicher und kommen schneller ins Handeln. Das wird oft mit einer höheren Risikobereitschaft assoziiert, aber das ist meiner Meinung nach nicht der Fall. Vielmehr ist die realistische Risiko-Nutzen-Abwägung eine angstbefreite Selbstverständlichkeit, die zielgerichtetes und souveränes Denken und Handeln möglich macht.
4. Gibt es ein agiles Erfolgserlebnis, an das du dich besonders gerne erinnerst?
Es gibt nicht das große “Bähm”, das ich als besonderes Erfolgserlebnis in Erinnerung habe. Für mich liegen die Erfolge in den kleinen Schritten, die es gerade während der Transformation zu einer agilen Organisation gibt und die mich immer wieder sehr zufrieden machen.
5. Auf unserer Teamseite beschreibst du dich selbst als “Generalistin mit Tiefgang”. Was meinst du damit?
Ich interessiere mich für fast alles, was mir über den Weg läuft. Das kann Fluch und Segen zugleich sein. Ich möchte ein möglichst breites Verständnis für Fragestellungen aufbringen können, ohne dabei nur an der Oberfläche zu bleiben. Deshalb habe ich immer das Ziel, auch punktuell tiefer in Themen einzusteigen, wenn es für Lösungsfindungen gut und wichtig zu sein scheint – oder wenn es mich auch einfach nur sehr interessiert.
6. Du hältst nichts von “Methoden-Hypes”, sondern bevorzugst eine individuelle Arbeitsweise. Kannst du deinen Ansatz kurz erklären?
Methoden-Hypes erinnern mich irgendwie an Handschuhe mit Größenangabe “One Size”: Auf den ersten Blick scheinen sie für den Zweck, warme Hände zu haben, geeignet zu sein. Trägt man sie häufiger, fühlen sie sich dann doch entweder zu kurz, zu lang oder zu eng an. Was ich damit sagen möchte: Es gilt die Methode zu finden, die möglichst perfekt für die jeweilige Organisation passt. One-size-fits-all gibt es einfach nicht und hilft auch eine gerade im Trend liegende Methode nicht automatisch jedem Unternehmen. Es gibt sicherlich Grundlagen, die für fast alle Organisationen gelten, aber das Besondere und Einzigartige einer Organisation kann nur zum Vorschein kommen, wenn es individuell beachtet und begleitet wird. So ist die DNA einer Kreativagentur nicht vergleichbar mit der von Behörden. Ein international agierendes Unternehmen mit 20.000 Mitarbeitenden hat andere Herausforderungen als ein KMU mit 30. Bevor man auf einen „Methoden-Zug“ aufspringt, sollte man überlegen, ob es wirklich Sinn macht, dort mitzufahren. Genau diese Fragen gilt es zu Beginn einer Zusammenarbeit zu klären.
7. Du brennst unter anderem für mehr Kundenorientierung in der Produktentwicklung. Customer Centricity und Customer Advocacy liegen voll im Trend – aber wie gelingt es, Kundenbedürfnisse und Kundenfeedback wirklich fest im Prozess der Produktentwicklung zu verankern?
In erster Linie halte ich es für wichtig, dass sich Unternehmen darüber im Klaren sind, dass sich Kunden- und Nutzerbedürfnisse verändern und dass sie diese bei der Ausarbeitung von Produktanforderungen auch berücksichtigen. Viele Unternehmen handeln noch auf Basis von Erfahrungswerten aus der Vergangenheit. Das hat viele Jahre funktioniert. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Schlüssel zum Erfolg darin liegt, als Organisation regelmäßig die eigenen Annahmen zu überprüfen bzw. in Frage zu stellen.Welche Bedürfnisse haben Kunden und Nutzer aktuell? Welche Produkte und Services wünschen sie sich wirklich? Dafür gibt es verschiedene Methoden und Möglichkeiten wie z.B. User Shadowing, Datenanalysen oder Kundenbefragungen.
8. Kundenorientierung geht Hand in Hand mit kontinuierlicher Verbesserung und Innovation. Was benötigen Teams, um innovativ zu bleiben? Wie gestalten Unternehmen inspirierende Arbeitsumgebungen und eine Innovationskultur?
Ich würde ein bisschen früher ansetzen. Habe ich überhaupt ein Team oder eine Gruppe von Menschen, die irgendwie zusammen arbeiten? Ich bin überzeugt, dass die Menschen in einem Team oder in einer gemeinsamen Arbeitsumgebung nie losgelöst voneinander betrachtet werden sollten. Auch die Klarheit und Transparenz von Unternehmenszielen halte ich für notwendig, bevor ich mir Gedanken über die Arbeitsplatzausstattung oder über Workshops wie Design Thinking mache. Ein gemeinsames Verständnis, gegenseitiges Vertrauen und eine gesunde Basis. Der nächste Schritt ist aus meiner Sicht, die Menschen in den Teams in den Prozess der Gestaltung ihrer Arbeitsumgebung einzubeziehen und Impulse zu setzen, die die Innovationsfreudigkeit anstoßen. Auch in diesem Fall greife ich auf Methoden zurück, die am besten zum Team bzw. zur Organisation passen.
9. Bei Teamprove arbeiten wir remote. Findest du es schwieriger, in einem verteilten Team innovativ zu sein und sich gegenseitig zu inspirieren? Braucht es dafür andere Tools, andere Prozesse oder ein anderes Mindset?
Nein, gar nicht. Wir stehen ja im regelmäßigen Online-Austausch und treffen uns quartalsweise mit dem kompletten Team zu den Teamprove Days in Präsenz. Im Alltag schicken wir uns einfach mal spontane Ideen über Chats oder Workingspaces. Wir bilden Themen-Gilden, empfehlen uns Bücher, testen Tools, klopfen uns virtuell auf die Schulter und nutzen auch einfach mal Silent Coworking.
Ich bin davon überzeugt, dass jeder seinen Job remote ausführen kann, natürlich sofern sich der Job dafür eignet. Klare Strukturen, regelmäßige Rituale und die richtige Technik geben einen Rahmen, aber auch das Vertrauen der Geschäftsführung in die Mitarbeitenden ist ein wichtiger Faktor. Es gibt jede Menge Tools für Online-Meetings und Collaboration, die technisch eine gute Grundlage für verteiltes Arbeiten bieten.
Ich glaube nicht, dass ein “anderes” Mindset notwendig ist. Ob ich mit viel oder wenig Engagement für mein Unternehmen arbeite, hat wenig mit dem Ort der Leistungserbringung zu tun. Was sicherlich eine Rolle spielt, ist, inwiefern ein persönliches, soziales Miteinander durch das Arbeitsumfeld abgedeckt werden kann und soll. Nicht jede Person ist glücklich allein im Homeoffice. Diese persönliche Komponente würde ich immer für mich prüfen, um zu entscheiden, ob ich 100% remote arbeiten möchte.
10. Verrätst du uns zum Abschluss, was du in deiner Freizeit machst?
In meiner Freizeit plane ich wenig und entscheide gerne spontan, ob ich eine Runde durch den Wald spazieren gehen will, mich auf einen Kaffee oder ein leckeres Abendessen verabrede, irgendetwas im Haus umbaue oder mich in den Untiefen des Internets zu einem Thema verlieren möchte. Hörbücher und Podcasts habe ich auch gerne um die Ohren und mit einer zwölfjährigen Tochter wird es sowieso nie langweilig – außer beim Abfragen der Französisch-Vokabeln ;-)