„Scrum hört sich gut an, aber zu uns passt das nicht“, „Physische Produkte brauchen doch viel längere Entwicklungszyklen“, „Wie sollen crossfunktionale Teams funktionieren, wenn Teile der Fertigung ausgelagert sind?“ oder „Dienstleistungen lassen sich doch nicht in Form von Inkrementen entwickeln“ – Diese und ähnliche Aussagen hören wir häufig, wenn es um branchenunabhängige Agilität außerhalb der Softwareentwicklung geht – häufig unter dem Überbegriff Business Agility.
Viele Unternehmen sind unzufrieden mit dem klassischen Projektmanagement ihrer Entwicklungsprojekte. Zu langsam, zu starr, zu wenig kundenorientiert, zu teuer. Aber während die Softwarebranche erfolgreich auf agile Methoden setzt, stehen Scrum, Kanban & Co bei der Entwicklung von physischen Produkten, Dienstleistungen oder digitalen Services häufig noch vor einer großen Mauer an Bedenken. Zu Unrecht, denn wir erleben in unseren Projekten täglich, dass Business Agility in allen Branchen und Unternehmensbereichen funktioniert, egal ob Elektronik, Mechanik oder Finanzdienstleistung, ob Entwicklung, Vertrieb oder HR.
Business Agility ist die Antwort auf VUCA
Eigentlich ist es ganz einfach: Agilität ist nichts weiter als ein bewährter Ansatz, um Komplexität beherrschbar zu machen. Perfekt also für ein Umfeld, in dem Technologien schneller altern als je zuvor, die Kundenerwartungen von morgen unbekannt sind und neue Wettbewerber die Märkte laufend verändern. Langfristige Prognosen und Planungen funktionieren in dieser VUCA-Welt nicht mehr. Benötigt werden neue Modelle für Entwicklung – unabhängig davon, ob es um Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle oder um die Organisation als ganzes geht.
Die Einsatzgebiete von Scrum und anderen agilen Methoden haben deshalb längst die Grenzen der Softwareentwicklung gesprengt – häufig unter Überschriften wie Business Agility, Non-IT-Scrum, Non-Software-Scrum oder Scrum Beyond IT. Übrigens: Als Takeuchi und Nonaka (die Erfinder des Wortes “Scrum”) 1986 in der Harvard Business Review über die Vorteile interdisziplinärer, selbstorganisierter Teams schrieben, ging es nicht um Software, sondern um die Entwicklung von Kopierern, Autos und Fotokameras. Und auch die 2017 überarbeitete Fassung des Scrum-Guide – die „Scrum-Spielregeln“ – widmet dem branchenübergreifenden Einsatz ein eigenes Kapitel.
„Mit „Entwickeln“ ist jede Art von komplexer Arbeit gemeint und mit „Produkt“ alles was daraus entsteht.“ (Scrum Guide 2017)
Der Grundgedanke von Scrum ist produktunabhängig
Das Ziel von Business Agility ist eine bessere, effizientere Zusammenarbeit zwischen Menschen, indem die Lernbereitschaft und die agile Haltung jedes einzelnen kontinuierlich gefördert wird. Und für dieses Ziel liefert Scrum als eines der bewährtesten agilen Frameworks einen hilfreichen Rahmen. Das Gelingen ist nicht von der Art des entwickelten Produkts abhängig.
Die wichtigsten Prinzipien von Scrum:
- Kurze Feedbackschleifen („Iterationen“)
- Lieferung von Zwischenergebnissen („Inkremente“)
- Selbstorganisierte, interdisziplinäre Teams
- Intensive Kommunikation und Kollaboration
- Wille zur kontinuierlichen Verbesserung der Kollaboration sowie der pro Iteration gelieferten Ergebnisse
Unternehmen, die dieses Rahmenwerk – und das dafür nötige Mindset – umsetzen, profitieren von zahlreichen Vorteilen:
- Maximale Transparenz des Projektfortschritts
- Schnellere Anpassungen an Veränderungen
- Bessere Kundenorientierung
- Weniger Missverständnisse
- Höhere Motivation der Mitarbeiter
Fragen?
Mut wird belohnt!
Wenn wir mit Unternehmen sprechen, die über eine agile Transformation nachdenken, gibt es eine Fülle an Fragen und Unsicherheiten. Insbesondere Scrum-Prozesse scheinen auf den ersten Blick fremd. Setzen wir uns dann aber in kleinen Workshops mit den einzelnen Teams zusammen, finden wir unabhängig von der jeweiligen Branche schnell Parallelen zum eigenen Unternehmen. Trauen Sie sich auch, „Scrum by the book“ für den eigenen Kontext zu adaptieren – oder ein anderes agiles Framework auszuprobieren, das vielleicht besser zu Ihnen passt! Wichtig ist lediglich, dass individuelle Anpassungen nicht dafür genutzt werden, Defizite des agilen Mindsets zu verschleiern.
Ein Beispiel: Ein typischer Einwand gegen Scrum in der Entwicklung physischer Produkte ist die Lieferung der sogenannten Inkremente (funktionsfähige Zwischenergebnisse) am Ende jedes Sprints. Der erste Kommentar ist meist: „nicht machbar“ oder „unter einem halben Jahr geht bei uns gar nichts“. Ja, es ist unrealistisch, dass ein Engineering-Team im 2-Wochen-Takt fertige Platinen oder Karosserieteile präsentiert. Aber das erwartet Scrum auch gar nicht. Auch für die Entwicklung von Services scheinen Inkremente auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Herangehensweise. Wenn wir hartnäckig genug an der Diskussion dranbleiben, ergeben sich erstaunlich kreative Ideen für sinnvolle Inkremente. Mit Hilfe von 3D-Druckern, Papp-Modellen, Materialmustern oder schlichten Prozess-Visualisierungen lassen sich sehr wohl Zwischenergebnisse liefern, die den frühen Dialog intensivieren und das Projekt voranbringen.
„Ein Inkrement ist ein Gegenstand inspizierbarer, fertiger [„Done“] Arbeit, der die Empirie am Ende des Sprints unterstützt. Das Inkrement ist ein Schritt in Richtung einer Vision oder eines Ziels.“ (Scrum Guide 2017)
Wir haben die Erfahrung gemacht: Gerade in kapitalintensiven Entwicklungsumfeldern wie dem Maschinenbau trägt Scrum dazu bei, teure Fehler zu vermeiden und so wertvolle Ressourcen zu sparen.
Business Agility funktioniert. Auch bei Ihnen!
Immer mehr Unternehmen außerhalb der IT schlagen den Weg der agilen Produktentwicklung ein und starten Pilotprojekte. Einige Pioniere arbeiten bereits an einer unternehmensweiten Skalierung. Wir möchten Ihnen einen dieser Pioniere vorstellen, den wir bei dieser Transformation begleiten: Die AIM GmbH entwickelt und produziert Highend-Hardware-Module für die Luft- und Raumfahrt und arbeitet erfolgreich in agilen Scrum-Teams.